Ein gestrandeter Wal am Utoquai

Seit Montagmorgen liegt ein gestrandeter Wal am Utoquai | Foto: Kira Kynd / ZTS

Am Montagmorgen entdeckten Spaziergänger*innen einen toten Pottwal am Utoquai in Zürich. Neben vielen Schaulustigen ist seit den frühen Morgenstunden ein Team von Expert*innen vor Ort, die nach Erklärungen suchen, wie das Auftauchen des rund 15 Meter grossen Kadavers zu erklären ist. Verschiedene Theorien zirkulieren im Internet. Die Idee, dass der Wal aus einem geschmolzenen Gletscher stammt, wurde ebenso verworfen, wie die Theorie, dass es sich um das illegale Haustier eines am See wohnenden Oligarchen handeln könnte. Nun ist klar, das hyperrealistische Modell ist Teil einer dreitägigen Kunstaktion des belgischen Captain Boomer Kollektivs, eingeladen vom Zürcher Theater Spektakel in Kooperation mit der Meeresschutzorganisation KYMA.

Zahlreiche Besucher*innen und riesiges Medieninteresse

Inzwischen hat der Wal am Utoquai ein riesiges Interesse geweckt, sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Medien im In- und Ausland. Hier ein paar Stimmen:

«In Zürich ist er momentan das Tagesgespräch: Der gestrandete Pottwahl am Züriseeufer, mitten in der Stadt.» SRF news

«Was hat denn bloß ein Pottwal am Ufer des Zürichsees zu suchen? Zwar ist das Tier nicht echt – doch stinkt es, als sei es das. Was es mit der Kunstaktion in Zürich auf sich hat.» (FAZ, 20.8.)

„In Zürich liegt ein 15 Meter langer Pottwal Man kennt es ja, immer wieder standen Wale in seichten Küstengewässern - aber an einem See in der Schweiz ohne Meereszugang? Die Kunstaktion soll wachrütteln.“ (Tagesspiegel, 19.8.)

«Ihre nicht ganz ernst gemeinten Erklärungsversuche: ein Pottwal, der den Rhein hochschwimmt und alle Schleusen bis in den Zürichsee passiert? Oder doch ein ganz seltener Süsswasserwal? Vielleicht habe der Wal einem russischen Oligarchen gehört, dem er schliesslich zu gross geworden sei und der ihn im See ausgesetzt habe. Spätestens da wird klar, dass es sich um eine Aktion von Umweltaktivisten handeln muss.» (NZZ, 20.8.)

«15-Meter-Pottwal in Zürich soll Besucher wachrütteln» (orf.at, 19.8.)

„Kunst für Artenschutz: Pottwal am Zürichsee“ (wdr.de, 19.8.)

«L’animal fait partie d’un projet artistique et écologique monté pour le festival Theater Spektakel» (La Liberté, 20.8.)

Wissenschaftler*innen untersuchen den Pottwal am Seeufer | Foto: Kira Kynd / ZTS

Ein Projekt des Kollektivs Captain Boomer

Die Idee einer performativen Walstrandung hatte das belgische Kollektiv Captain Boomer bereits 2008 und hat seither in diversen europäischen Grossstädten (Paris, London, Warschau oder Madrid) oder zuletzt in Australien Walstrandungen inszeniert: «The beached whale is a massive metaphor for the disruption of our ecological system. Seeing the whale, being faced with the reality of the magnificent animal, people feel their bond with nature, when confronting the whale one enters a world of awe and wonders. When the whale is discovered to be an artwork there is the joy of realizing you’ve been enchanted by a bit of theater, and left with much to think…», so Bart van Peel vom Boomer Collective.

Es ist keine Seltenheit, dass Wale, die durch Verschmutzung oder mangelnde Nahrungsquellen geschwächt sind, an Meeresküsten stranden. Obwohl die Schweiz ein Binnenland ist, trägt auch sie eine Mitverantwortung: «Die Installation zeigt symbolisch auf, dass die Schweiz ihren Beitrag zum Schutz der Meere leisten muss – denn trotz Kläranlagen gelangen von uns verbrauchte Chemikalien und Mikroplastik in die Flüsse und damit bis ins Meer. Zudem tragen auch wir in der Schweiz zur Erderwärmung bei, die negative Auswirkungen auf die Ozeane und deren Bewohner hat», erklärt Dr. Silvia Frey, Meeresbiologin bei KYMA sea conservation & research.

Foto: Kira Kynd / ZTS

Für das Zürcher Theater Spektakel ist die künstlerische Auseinandersetzung mit ökologischen Fragen ein Schwerpunkt, der sich bereits durch mehrere Festivalausgaben zieht. «Mit dem offensichtlich absurden und sehr emotionalen Bild eines am Ufer des im Zürichsee gestrandeten Wals wollen wir das Bewusstsein schärfen für Umweltzerstörung, Artensterben und die Gefährdung natürlicher Lebensräume für verschiedenste Lebewesen. In einer Zeit, in der selbst die mittlerweile regelmässig konkret erfahrbaren Folgen von Ausbeutung der Natur auf Gleichgültigkeit und Leugnung stossen, sind es oft Künstler*innen denen es gelingt, starke Bilder zu finden, die Menschen wirklich erreichen», so der künstlerische Leiter des Theater Spektakels Matthias von Hartz.

Foto: Kira Kynd / ZTS

Das Festival bemüht sich seit Jahren, rund um das künstlerische Programm auch einen sozialen, politischen und wissenschaftlichen Resonanzraum zu schaffen und hat immer wieder neben Künstler*innen in verschiedenen Formaten auch Theoretiker*innen und Aktivist*innen eingeladen, die sich mit ökologischen Fragen beschäftigen. Die Meeresexperten von KYMA werden heute und am Donnerstag mit Zürcher*innen um 21.00 Uhr am Stammtisch auf der Landiwiese reden. Und am Samstag, 24. August wird der Umweltingenieur und Politikwissenschaftler Malcom Ferdinand («Une écologie décoloniale») auf der Seebühne über den historischen Zusammenhang der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung der Natur sprechen.

Und der gestrandete Wal ist bis am Mittwochabend am Utoquai zu erleben, wo Expert*innen weitere Untersuchungen unternehmen und neugierige Publikumsfragen gerne beantworten.