«VERÄNDERUNG BEGINNT BEI DIR; DU MUSST DEN ERSTEN SCHRITT MACHEN.»

 

Die Künstlerin, Kulturschaffende und Aktivistin Ulokcwinyu Ubia Hope lebt in Kampala, Uganda. Sie engagiert sich in der angewandten Theaterarbeit, künstlerischen Initiativen und Community-Projekten in verschiedenen Teilen des Landes. Ausserdem organisiert sie künstlerische Projekte mit jungen Geflüchteten in Kiryandongo – einem Distrikt im mittleren Westen Ugandas, der seit Jahrzehnten Menschen aus benachbarten Ländern aufnimmt. Uganda gehört heute zu den Ländern, die weltweit am meisten Geflüchtete aufnehmen. Seit letztem Jahr verschärft sich die humanitäre Lage durch den verheerenden Krieg im Sudan zunehmend.

2024 nahm Ubia im Rahmen des Zürcher Theater Spektakels an Watch&Talk teil, einem internationalen Künstler*innen-Austauschprogramm. Dabei lernte sie das Festival und eine Vielzahl künstlerischer Ansätze aus unterschiedlichen Regionen der Welt kennen. Watch&Talk wird von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia unterstützt. In diesem Interview mit der Dramaturgin und Kuratorin Maria Rößler spricht Ubia über ihre angewandte Theaterarbeit und die Herausforderungen, mit denen Kulturschaffende in Uganda konfrontiert sind.

 

Ubia, wir haben uns letztes Jahr beim Zürcher Theater Spektakel getroffen. Zuhause in Uganda hast du unter anderem als Koordinatorin des Kampala International Theatre Festival gearbeitet. Warum ist internationaler Kulturaustausch für dich wichtig?

Beim Kampala International Theatre Festival zu arbeiten, war eine meiner wertvollsten Erfahrungen. Was mir an diesen internationalen Kunstfestivals besonders auffällt, ist die verbindende Erfahrung von Verletzlichkeit, wenn Künstler*innen ihr Werk in einem ungewohnten Umfeld präsentieren. Sie müssen wirklich ihr Bestes geben, wenn sie an einem neuen Ort auftreten und sich auf ein neues Publikum einlassen. Für mich bedeutet Kulturaustausch, einer neuen Person zu begegnen. Und das Schöne daran ist, dass diese Person manchmal über die gleichen Herausforderungen spricht, mit denen wir hier zu tun haben. Dann denke ich: «Oh, wir sind nicht allein. Andere erleben das auch.» Und wenn sie Wege finden, damit umzugehen, dann können wir das auch.

Was ich an Festivals ebenfalls liebe, ist, wie die Kurator*innen die Themen der Künstler*innen aufgreifen und darüber Gespräche für das lokale Publikum ermöglichen. Es ist wie ein roter Faden aus Geschichten, der sich durch das Festival zieht. Genau das habe ich beim Zürcher Theater Spektakel erlebt – viele verschiedene Geschichten, die miteinander existieren. So war es auch beim letztjährigen Kampala International Theatre Festival, wo wir darüber sprachen, wie man Femizid bekämpfen kann, wie man Schriftstellerinnen unterstützt und gleichzeitig, wie wir uns mit afrikanischer Kultur und Tanz auseinandersetzen können.

Ich glaube, dass internationaler Kulturaustausch ein Gemeinschaftsgefühl in den Künsten fördert. Durch diese Begegnungen entstehen Beziehungen. Im Watch&Talk-Programm habe ich neun Menschen mit unterschiedlichen künstlerischen Schwerpunkten und Hintergründen kennengelernt. Ich hatte die Möglichkeit, in ihre künstlerische Praxis einzutauchen und gleichzeitig über meine eigene Arbeit nachzudenken. Und jetzt weiss ich: Wenn ich eine europäische dramaturgische Perspektive brauche, habe ich eine Ansprechperson. Wenn ich Rat zu technischen Aspekten brauche, kenne ich jemanden, der mir weiterhelfen kann. Wenn ich Expertise in Tanz und Choreografie suche, habe ich einen Kontakt. Und wenn ich Unterstützung brauche, um mich in der europäischen Performance-Szene zurechtzufinden, kann ich mich an Freund*innen dort wenden. Das ist etwas, das ich am internationalen Kulturaustausch besonders schätze – er ermöglicht nachhaltige Kontakte. Selbst nach kurzer Zeit des Kennenlernens öffnen sich Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Apropos vielseitige künstlerische Fähigkeiten: Du bist eine multidisziplinäre Künstlerin – Poetin, Theaterautorin, Kulturmanagerin und Aktivistin. Wann und wie hast du dich entschieden, Künstlerin zu werden?

Als Mädchen wurde ich in der Schule gemobbt. Man hat mich wegen meiner Hautfarbe gehänselt – in meinem eigenen Herkunftsland. Tagebuch zu schreiben war für mich die beste Möglichkeit, meine Gefühle und Frustrationen auszudrücken. Mit der Zeit wurde das Schreiben zur Gewohnheit. Ich hatte immer ein Notizbuch dabei und gab es während der Schulferien meinem Vater, damit er lesen konnte, wie das Schuljahr für mich gewesen war. Je mehr ich schrieb, desto sicherer fühlte ich mich darin, meine Gedanken unzensiert auszudrücken – und dabei gewann ich an Selbstvertrauen.

Ich bin in einer Gemeinschaft aufgewachsen, die Geflüchtete aufnimmt. Ich habe miterlebt, wie Migrant*innen schwierige Zeiten durchmachten, und ihre Kämpfe wurden Teil meiner eigenen Geschichte. Ich schrieb darüber, wie ich ihr Leben wahrnahm, wie es mich berührte und wie es unsere Freundschaften prägte.

Zuerst war mein Traum, Journalistin zu werden, um weiterhin Geschichten zu schreiben. Letztlich wurde ich aber keine Journalistin, sondern erkannte, dass Theater eine kraftvolle Art ist, Geschichten zu erzählen – sowohl die anderer Menschen als auch meine eigene. Ich komme aus einer Familie, die das Geschichtenerzählen liebt. Wir erzählen uns abends vor dem Schlafengehen Geschichten. Ich bin mit dieser Kultur aufgewachsen und habe meinem Vater, meiner Mutter, meinen Brüdern und meinem Grossvater beim Erzählen zugehört. Mit der Zeit ging ich über das Schreiben hinaus und gewann nach und nach die Sicherheit, auch zu sprechen. So habe ich meinen Weg ins Theater gefunden.

In meinem Land legen uns die Universitäten und Institute nahe interdisziplinär zu arbeiten. Wenn man ein Studium abschliesst, hat man alle Kunstformen kennengelernt und entscheidet sich danach für eine Spezialisierung.

Trotzdem werden die Künste hier nicht besonders geschätzt. Viele Eltern betrachten sie mehr als Hobby denn als ernsthaften Beruf. Als ich die Schule abgeschlossen hatte und meiner Familie erzählte, dass ich darstellende Künste an der Makerere University studieren würde, war die erste Frage: «Was wirst du nach dem Studium machen?» Für sie war es normal, dass Kinder studieren, um Ärzt*innen, Lehrpersonen oder Ingenieur*innen zu werden. Als Künstlerin habe ich jedoch keine feste Berufsbezeichnung – an einem Tag bin ich Regisseurin, am nächsten Kuratorin, dann Schauspielerin und an einem anderen Tag Bühnenassistentin. Es gibt kein einziges Wort, das beschreibt, was ich tue.

Einer meiner Beweggründe, darstellende Künste zu studieren, war, das Gegenteil zu beweisen – zu zeigen, dass ich mit Kunst meinen Lebensunterhalt verdienen, Veränderungen bewirken und eine Person sein kann, die in der Gemeinschaft respektiert, geschätzt und geliebt wird.

Und was inspiriert dich heute, in diesem Bereich zu arbeiten?

Was mich heute antreibt, ist das Bedürfnis zu sprechen – über wichtige Themen zu sprechen, aber auf spielerische Weise, damit sich die Menschen nicht angegriffen fühlen. In meinem Land wird Aggression als Opposition wahrgenommen. Wer sich zu lautstark äussert, riskiert, verhaftet oder öffentlich verurteilt zu werden. Also, wie können wir über unsere Probleme sprechen, ohne Feindseligkeit hervorzurufen? Wir schreiben, zeichnen Cartoons, tragen Gedichte vor, nutzen Kostüme und bringen unsere Botschaften mit Humor auf die Bühne. Die Menschen, die wir erreichen wollen, schauen zu, sie lachen – aber die Botschaft kommt trotzdem an. Das ist unsere Art, das zu sagen, was gesagt werden muss. Für mich geht es heute vor allem darum, für Veränderung einzutreten. Veränderung passiert nicht von allein – jemand muss den Mund aufmachen. Wenn wir es nicht tun, werden wir mit schweren Herzen sterben.

 

Mit welchen konkreten Herausforderungen sehen sich Künstler*innen und Kulturschaffende in Uganda heute konfrontiert?

Es gibt viele Hürden – Zensur, mangelnde Finanzierung und fehlende Unterstützung. Öffentliche Gelder für die Kunst sind selten, trotzdem werden Künstler*innen zu nationalen Feierlichkeiten wie dem Unabhängigkeitstag eingeladen. Aber wovon sollen die Tänzer*innen sich am Ende des Tages ernähren? Wie sollen Schauspieler*innen ihre Rechnungen bezahlen? Die darstellenden Künste haben keine Priorität – niemand nimmt sich die Zeit, dafür zu planen oder ein Budget bereitzustellen. Die Menschen, die für die Kunstförderung zuständig sind, haben oft wenig bis gar keine Ahnung von den darstellenden Künsten. Ich glaube nicht, dass sie wissen, wie viel es kostet, ein Ensemble für eine Theaterproduktion zu engagieren oder eine Kamera zu mieten.

Letzte Woche wurde von einer Regulierungsbehörde in unserem Land eine neue Direktive erlassen: Künstler*innen und Veranstalter*innen müssen nun eine Genehmigung einholen, um ihre Arbeiten präsentieren zu können. Wir müssen diesen Antrag stellen, das Projekt im Detail erklären, den Inhalt offenlegen und die Kosten dafür selbst tragen. Wir sind verpflichtet, unser Drehbuch sowie einen Notfallplan für mögliche Zwischenfälle einzureichen. Die Behörde entscheidet, ob und ab welchem Alter Menschen eine Aufführung sehen dürfen. Sie denken für uns – und nach all dem Aufwand sollen wir ihnen auch noch für ihre «Unterstützung» danken. Selbst wenn wir akzeptieren, dass das Bezahlen für Genehmigungen eine Form der Besteuerung ist, gibt es keine Transparenz darüber, was mit diesem Geld geschieht. Wir wissen nicht, wohin das Geld fliesst, und profitieren auch nicht davon. Sie melken eine Kuh, die sie nicht einmal füttern.

Es tut mir leid, das zu hören. Kunst unabhängig und ohne Finanzierung zu produzieren, ist schon herausfordernd genug, und nun kommen diese Genehmigungen als zusätzliche Bürde hinzu. Es scheint ein starker Drang zu bestehen, die Begegnung zwischen Künstler*innen und Publikum zu regulieren – um künstlerischen Ausdruck zu erschweren und zu kontrollieren.

Ja, Künstler*innen und Veranstaltungsräume stehen vor vielen Hindernissen. Zusätzlich darfst du dein Stück ohne eine Genehmigung auch nicht im Fernsehen bewerben. Und wenn wir dazu soziale Medien nutzen, fällt das unter den Computer Misuse Act.

Am wichtigsten ist jedoch, dass wir es mit einer Gesellschaft zu tun haben, die Veränderung sehen möchte, aber nicht bereit ist, dazu beizutragen. Diese Probleme wurden in den letzten Jahren immer wieder in Sitzungen und Foren besprochen. Wir sagen dauernd: «Veränderung beginnt bei dir; du musst den ersten Schritt machen.» Aber ist die Gemeinschaft wirklich bereit, diesen Schritt zu gehen?

 

 

Du engagierst dich in angewandten Theaterprojekten, die sich auf soziale Veränderungen konzentrieren und Themen wie psychische Gesundheit, Bildung für Mädchen und Gemeinschaftsstärkung ansprechen. Du hast auch künstlerische Aktivitäten mit Geflüchteten in Uganda initiiert. Wie arbeitest du? Und was ist die Wirkung von angewandtem Theater in der Community-Arbeit?

Ich bin die Gründerin der Obiamwrights Foundation, einer Organisation, die angewandtes Theater nutzt, um soziale Probleme anzugehen und zu lösen. Alles begann mit einem Projekt namens «Poem on the Mic» im Kiryandongo-Distrikt. Das Kiryandongo-Geflüchtetenlager beherbergt Menschen aus verschiedenen Ländern, darunter die DR Kongo, Kenia, Ruanda, Südsudan, Äthiopien und Somalia. Und obwohl ich es wertschätze, dass Uganda Geflüchtete aufnimmt, glaube ich auch, dass wir manchmal mehr übernehmen, als wir bewältigen können. Das Land ist nicht in der Lage, allen zu helfen. Es gibt viele Organisationen, die Hilfe anbieten, aber sie stülpen den Betroffenen oft ihre eigenen Ideologien über, ohne wirklich zu verstehen, was diese Menschen durchgemacht haben.

Wir wollen keine Organisation sein, die Ideen aufdrängt oder Probleme für die Menschen definiert. Deshalb führen wir im Dialog mit der Gemeinschaft zunächst eine Recherche durch, um das Problem gemeinsam zu identifizieren. Manchmal erfordert es, dass wir in der Gemeinschaft bleiben, um wirklich zu verstehen, was vor sich geht. Ein Grundprinzip des angewandten Theaters ist, dass Menschen ihren eigenen Verstand haben und die Fähigkeit, Lösungen für die Probleme zu finden, mit denen sie konfrontiert sind. Niemand versteht das Problem besser als sie selbst. Obiamwrights Foundation begleitet sie in diesem Prozess und hilft, Lösungen zu entwickeln.

Unser erstes Projekt war «Refugees Have Got Talent» im Jahr 2019, in Partnerschaft mit einer Organisation namens Dream Production. Wir haben die Teilnehmer*innen in Musik, Tanz und Drama geschult und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Talente zu präsentieren. Viele von ihnen hatten bereits Fähigkeiten – sei es im Modeln, Rappen oder Schreiben von Sketchen – und unsere Aufgabe war es, sie anzuleiten und Tipps zu geben, wie sie ihre Arbeit verfeinern können. Wir hielten einen Wettbewerb ab und einige Teilnehmer*innen gewannen Preise. Einige von ihnen verfolgen ihre Kunst auch weiterhin, und wir beobachten ihren Fortschritt. Wenn wir Aktivitäten organisieren, sind sie oft dabei und tragen dazu bei, die Moral neuer Teilnehmer*innen zu stärken.

Während der Covid-19-Pandemie organisierten wir die Kampagne «Donate a Mask». Kinder in Geflüchtetenunterkünften waren besonders anfällig für Covid-19 und landeten häufig in der Klinik. Organisationen verteilten Masken, aber die Menschen benutzten sie nicht. In diesen Gemeinschaften nähen Mütter oft selbst Kleidung und behalten dabei kleine Stoffreste. Wir überzeugten sie, aus diesem Stoff Masken zu nähen. Als die Kinder die von ihren eigenen Müttern genähten Masken bekamen, trugen sie sie gerne. Dadurch sank die Zahl der Infektionen im Lager deutlich.

Danach organisierten wir die Kampagne «She Needs a Pad» in Kampala. Dazu gingen wir eine Partnerschaft mit der Kirabo Women’s Initiative ein, einer langjährigen Partnerin von uns. Wir schulten Mädchen in Menstruationsgesundheit und darin, wiederverwendbare Binden anzufertigen, um die Menstruationshygiene zu unterstützen. Viele Mädchen konnten sich monatlich nicht immer wieder neue Binden kaufen, da sie sich das nicht leisten können. Einige entwickelten aufgrund unzureichender Hygiene gesundheitliche Probleme, benötigten medizinische Behandlung, konnten sich diese jedoch nicht leisten. Wir halfen ihnen, kleine Theaterstücke zu erarbeiten, die sie vor den älteren Mitgliedern der Gemeinschaft aufführen konnten, um Bewusstsein für ihre Probleme zu schaffen. Wir merkten, dass Worte allein nicht effektiv waren – also versuchten wir es mit Performance. Die Menschen kamen und schauten zu, weil Theater auch Spass macht. Sie nahmen die Botschaft auf und im Anschluss konnten wir über dieses schwierige Thema sprechen. «She Needs a Pad» war ein Erfolg.

Im Jahr 2023 berichtete das Fernsehen über die hohe Anzahl an Mädchen, die im Zombo Distrikt die Schule abbrachen. Dies veranlasste uns, die Kampagne «Stay in School» zu starten. Es dauerte zwei Jahre, um die benötigten Mittel für diese Initiative zu sammeln. Schliesslich reisten wir in den Zombo Distrikt, wo wir mit 38 Schulmädchen arbeiteten. Unser Ziel war es, sie zu ermutigen, in der Schule zu bleiben. Sie erzählten uns von ihren Erfahrungen, was sie durchmachen und wie sie ihre Eltern unterstützen – oder nicht. Wiederum teilten uns einige von ihnen mit, dass sie die Schule verlassen haben, weil sie keine Binden hatten. Während ihrer Menstruation wurden sie gemobbt, was zu Unsicherheit und einem beeinträchtigten Selbstwertgefühl führte. Wir gingen diese Herausforderungen mit Hilfe von Theater an und schulten die Mädchen auch in Performance. Während der Zeit, die wir mit ihnen verbrachten, brachten wir ihnen auch Kameratechnik, Videoproduktion, öffentliches Sprechen und Führungskompetenzen bei. Einige dieser Mädchen zeigten besonderes Talent in diesen Bereichen und arbeiten nun mit mir zusammen.

Wir luden Führungs- und Respektpersonen ein, die in der Lage sind, in ihrer Gemeinschaft in Bezug auf dieses Thema Veränderungen herbeizuführen. Diese schauten sich die Aufführungen an, gaben Feedback und traten in Dialog mit den Mädchen. Wir bleiben in Kontakt mit den Menschen in der Gemeinschaft und dokumentieren die Entwicklung der Teilnehmerinnen. Da viele der Mädchen keine Handys besitzen, kontaktieren wir sie über ihre Eltern. Wir begleiten ihren Fortschritt und besuchen zweimal im Jahr die Schulen, um Einzelgespräche zu führen. Auch wenn es finanzielle Herausforderungen gibt, tun wir unser Bestes mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, Unterstützung zu leisten. Wir kaufen Material, damit die Mädchen weiterhin Binden herstellen können. Diese können sie auch verkaufen und so selbstständig ein Geschäft führen. Wir möchten kein Abhängigkeitsverhältnis schaffen, bei dem unsere Foundation dauerhaft finanzielle Unterstützung leisten muss. Wir stellen etwas Startkapital zur Verfügung, erwarten jedoch, dass die Mädchen nach der Anfangsphase auf eigenen Füssen stehen.

 

Es ist bemerkenswert, wie lokale, von Frauen geführte Initiativen wie deine einen Unterschied machen können, indem sie sorgfältig in die Gemeinschaft hineinhorchen – nicht nur ihre Probleme erkennen, sondern auch ihr Wissen, ihre Ressourcen und ihre Stärken hervorheben und Wege finden, diese zu aktivieren und zu fördern. Was steht als Nächstes für dich an? Was sind deine Pläne für 2025?

Nach meinem Besuch beim Festival in Zürich nahm ich mir vor, mich für Recherche-Residenzen zu bewerben, um neues Wissen zu erlangen und es mit nach Hause zu bringen. Das gehört zu meinen Zielen.

Beim Zürcher Theater Spektakel nahm ich an einem Gespräch mit Vertreter*innen der Organisation «Artists at Risk» teil, das einen starken Eindruck bei mir hinterliess. Ich bin neugierig auf die Perspektiven migrantischer Künstler*innen. Nachdem ich gesehen habe, wie Künstler*innen in meinem Land Schwierigkeiten haben, auf die Beine zu kommen und Anerkennung zu erlangen, fragte ich mich: Was erleben Künstler*innen, die flüchten und in die Schweiz sowie andere europäische Länder einwandern? Was braucht es, um sich als Künstler*in in einem anderen Land, fern der Heimat, zu entwickeln? Welche Art von Unterstützung benötigen sie nach ihrer Ankunft? Welche Herausforderungen müssen sie bewältigen? Bereuen sie etwas? Wenn sie die Chance hätten, zurück nach Hause zu gehen, was würden sie anders machen?

Es gibt Zeiten, in denen es sich anfühlt, als würde Uganda mich wegstossen. Ich dachte, wenn ich in meinem Land wegen meiner Arbeit verfolgt werde, muss ich vielleicht gehen und nach einem anderen Zuhause suchen. Aber dann frage ich mich, was das für meine künstlerische Arbeit bedeuten würde. Wäre ich in der Lage, genauso zu arbeiten wie hier? Gibt es eine Möglichkeit, Kunst zu praktizieren und meine Botschaft zu vermitteln, ohne mein Land zu verlassen? Oder, wenn ich gehe, kann ich zurückkehren und mit dem, was ich gelernt habe, Veränderungen schaffen? Diese Fragen bleiben für mich offen, und daher freue ich mich darauf, Möglichkeiten für Forschungsreisen und Residenzen in anderen Ländern zu nutzen, um meine Perspektive zu erweitern und zu schärfen.

Indes arbeite ich weiterhin daran, den künstlerischen Ausdruck hier in Uganda zu fördern, zum Beispiel, indem ich Mittel beschaffe, um Poet*innen die Freiheit zu geben, zu schreiben, was sie möchten, und es auch mitzuteilen. Wenn sie über Liebe schreiben wollen, sollen sie das tun. Wenn sie ausdrücken möchten, wie sie über ihr Land oder die Menschheit empfinden, sollen sie das tun. Für mich umfasst dieses Vorhaben das Erarbeiten von Konzepten, das Beantragen von Fördergeldern und das Suchen von Mitteln bei internationalen Organisationen. Leider gibt es in unserem Land fast keine staatlichen Zuschüsse, weil wir hier keine Priorität haben. Als Kulturschaffende sind wir stark auf Beziehungen, Zusammenarbeit und gegenseitige Gefälligkeiten angewiesen. Künstler*innen mentorieren einander und tauschen Wissen und Fähigkeiten aus.


Derzeit koordiniere ich ausserdem eine Bühnenproduktion bei Arts Treasure Uganda. Das Stück heisst «ROPE». Es wurde von Lloyd Lutara geschrieben und wird von der legendären Regisseurin Kaya Kagimu Mukasa inszeniert.

Das klingt toll! Ich hoffe, dass alles reibungslos verläuft, sowohl in Bezug auf die Produktion als auch auf die Genehmigungen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich wünsche dir alles Gute für deine Projekte!

Danke, Maria.

 

Credits

Interview: Maria Rößler
Das Gespräch hat auf Englisch stattgefunden.
Übersetzung ins Deutsche: Franziska Henner
Portraitfoto: Twinomugisha
Fotos: Keerera Nellie